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Kein Erfolg ohne Herzblut - Herzensprojekte (17)

02.03.2020

Anette Weiß beschäftigt sich seit 30 Jahren mit Menschen und ihren Finanzen. Zuerst als Banker, jetzt als Honorarberater, Finanzcoach und Lehrer für Finanzthemen.

Wann kam es zu deinem Wechsel vom Banker zum Lehrer?

Das war vor ca. zehn Jahren und der Schritt war ein recht harter Cut für mich.

Die Bankbranche hat sich in eine Richtung entwickelt, die man nur als widerwärtig bezeichnen kann. Ich dachte erst, nach der Finanzkrise würde sich viel ändern, denn ist es doch normalerweise so, dass sich wirklich etwas ändert, wenn man einen Schuss vor den Bug kriegt und feststellen muss, dass man Menschen Schaden zufügt. Dem war aber nicht so. Ich habe zunehmend Probleme bekommen, mit voller Loyalität für eine Bank zu arbeiten. Obwohl die Bank, bei der ich gearbeitet habe, noch eine der guten war, aber auch sie hat sich verändert.

Es hat sich allgemein eine Tendenz entwickelt, den Kunden etwas zu verkaufen, ohne darauf zu achten, ob dieses Produkt für die Kunden wirklich sinnvoll ist.

Also war es eine bewusste Entscheidung für dich, dort auszusteigen?

Ja, sehr bewusst. Ich bin tatsächlich eines Morgens aufgewacht und wusste, es geht für mich dort nicht so weiter.  Ich kann nicht und ich will es nicht mehr. Und dann habe ich zur Überraschung aller gekündigt.

Ich wollte Menschen lieber unabhängig von der Struktur einer Bank beraten. Damals stand der Beruf Honorarberater ganz in den Kinderschuhen. Wir verkaufen nicht Produkte, sondern beraten auf Honorarbasis in Fragen zu Finanzprodukten, aber unabhängig von einer direkten Provision. Ich habe aber schnell gemerkt, dass mein Fokus sogar eher auf den klärenden Schritten liegt, die stattfinden müssen, bevor man ein Produkt wählt.

Die Umstellung von einer festen Stelle mit einem großen Team zu einer Tätigkeit ganz alleine in meinem Büro war ganz schön krass. Natürlich hatte es auch Vorteile, alles alleine entscheiden zu können, aber man wird recht einsam.

Und gleichzeitig hatte ich natürlich auch den Druck, dass ich mich sichtbar und bekannt machen musste. Ich habe wirklich bei Null begonnen und es stellte sich gar nicht als so leicht heraus, Kunden zu gewinnen.

Natürlich habe ich viele Gruppen und Netzwerktreffen besucht, fand aber nicht wirklich etwas, wo ich mich wohl gefühlt hätte. Also habe ich beschlossen, selbst ein Frauen Business Netzwerk zu gründen. Um eine Gemeinschaft zu haben, aber auch um die Sichtbarkeit für jede einzelne zu fördern – und natürlich auch für mich. Mir war es auch wichtig, von der Erfahrung anderer zu profitieren und sich vielleicht gegenseitig unterstützen zu können.

Nach wenigen Monaten waren wir schon 40-50 Leute hier im Saarland. Ich habe wirklich viel Kraft und Engagement investiert. Nach einigen Jahren musste ich aber feststellen, dass es sich nicht so entwickelt hat, wie ich wollte, und habe irgendwann das Netzwerk aufgegeben.

Ich habe dabei gelernt, dass ich nur Angebote machen kann und dass die Leute dann selbst entscheiden müssen, wie weit sie gehen wollen. Ich kann sie nicht tragen.

Mir ist es auch wichtig, dass Menschen für ihre Projekte brennen und sie wirklich als ihre Berufung sehen. Wenn man etwas halbherzig macht, kann es nicht wirklich gelingen. Um erfolgreich zu sein, muss es mit Herzblut und mit einem ganz dicken WARUM verbunden sein. Wobei erfolgreich nicht unbedingt einen großen Umsatz bedeutet.

Ohne Herzblut hat man weder Zeit noch Lust. Und mit solchen Leuten möchte ich mich nicht umgeben, denn von ihnen kann ich nichts lernen.

Durch meine Neupositionierung weg von der klassischen Honorarberatung und den Produkten bin ich natürlich auch angeeckt. Und gleichzeitig bin ich dadurch aber auch bekannter geworden, eben weil ich angeeckt bin. Es war ein langer Prozess, aber über viele kleine und große Schritte konnte ich einen Kundenstamm aufbauen.

Du bist ja auch sehr aktiv über die Social Media und mit deinem Blog.

Online habe ich natürlich viel mehr Möglichkeiten und bin nicht regional begrenzt. Denn wir wissen ja alle, dass der Prophet im eigenen Land nichst gilt. Meine Kunden sind weitgehend nicht aus dem Saarland. Der Blog ist ganz wichtig. Nicht nur weil ich damit Finanzwissen vermittele. Ich kann mich dort auch als Person zeigen, und Menschen suchen immer eine bestimmte Person für ein Thema. Mein USP (Unique Selling Point) ist meine Art, das Wissen zu verpacken. Damit brauche ich auch keine Angst vor Konkurrenz zu haben, denn so wie ich es mache, mache nur ICH es. Andere Anbieter sind anders gestrickt und finden damit ihre ganz eigenen Kunden.

Wie würdest du deine Art beschreiben?

Ich versuche, mich nicht in Details zu verlieren, und bin sehr darauf ausgerichtet, ein finanzielles Großbild zu erschaffen, sodass du sozusagen einen großen Setzkasten hast, in den du alle Informationen, die du bekommst, einordnen kannst. Damit es dich nicht mehr verwirrt, denn du hast einen Rahmen dafür. Und das kann ich tatsächlich gut.

Und ich glaube auch deine pragmatische Art? Du sprichst geradeaus, verpackst nichts in schöne Worte. Das ist oft sehr hilfreich, denn es bringt alles auf den Boden der Tatsachen.

Wir reden über praktische Dinge, also muss die Sprache auch sehr pragmatisch sein.

Obwohl du heute bundesweit zu den führenden Namen unter den Finanzcoaches gehörst, hast du viele Jahre gekämpft, bis du wirklich angefangen hast, mit diesem neuen Beruf wirklich Geld zu verdienen.

Ich habe erst mal alle meine Ersparnisse aufgebraucht. Aber ich bereue das in keinster Weise.

Weil du auf dem Weg deine eigentliche Berufung entdeckt hast?

Ja, ich habe gesehen, wie ich Menschen weiterbringen kann. Und dadurch wusste ich, es gibt keinen Weg zurück. Ich will diesen neuen Weg in jedem Fall gehen. Ich will mich nicht mehr verbiegen müssen.

Würdest du heute etwas ganz anders anpacken? Gab es Umwege, die du heute nicht mehr gehen müsstest?

Ich habe ununterbrochen Umwege gemacht, aber ich glaube, sie mussten alle sein. Ich glaube, ich brauchte diese Zeit um innerlich zu wachsen und um herauszufinden, was ich wirklich will. Auch um den Mut zu finden, es auch wirklich durchzusetzen.

Hat dir etwas besonders geholfen? Bestimmte Menschen oder Ereignisse?

Zum einen die Geldlehrer - die Entdeckung, dass es einen solchen Beruf überhaupt gibt - auch wenn er ehrenamtlich ist. Das hat mich zum Thema Lehren gebracht. Die Feststellung, dass ich jetzt mit der Vermittlung von Zahlen wirklich Wissen vermitteln kann. Das hat alles umgekrempelt.

Und eine NLP Ausbildung, die ich parallel gemacht habe, hat mich auch ein ganzes Stück vorangebracht. Da habe ich viele Denkmuster verändert und habe auch gelernt, mein Geschäft anders zu sehen. Das hat mich schon sehr geformt und gefördert.

Meine Familie war eine große Hilfe.  Und meine zufriedenen Kunden, bei denen ich tatsächlich etwas bewirkt habe.

Wie hast du deine Ausdauer behalten über so viele Jahre?

Schau dir doch unsere Gesellschaft an. Unser Rentensystem und das fehlende Geld bringen so viel Elend und Not. Ich habe eine Verantwortung, Wissen zu vermitteln. Ich habe die Lösungen und die kann ich dann doch nicht in der Schublade liegen lassen.

Hättest du dir etwas gewünscht, das aus heutiger Sicht alles leichter gemacht hätte?

Ich wäre gerne mal bei Anne Will eingeladen, um mit einer richtig großen Öffentlichkeit etwas zu diesen Themen sagen zu können. Um rütteln zu können. Ich habe etwas zu sagen, was ungefähr 40 Millionen Menschen in diesem Land interessieren müsste.

Was ist das „Herz“ in deinem Business?

Die Eigenverantwortung. Nicht nur bewusstmachen, dass jeder für sich die Verantwortung trägt, sondern auch möglich machen, dass man diese Verantwortung tragen kann.

Und wenn jetzt deine Wünsche in Erfüllung gehen würden? Du wärest schon bei Anne Will gewesen und hättest 40 Millionen Menschen erreicht? Was würde dann entstehen?

Wir würden unser Wirtschaftssystem umstellen, weil wir ganz anders sozial sein könnten. Weil viel weniger Menschen hinten runterfallen würden. Es würden nicht so viele Auswüchse entstehen wie im Moment, mit so viel Neid und Hass, mit der Angst, es könnte uns jemand etwas wegnehmen. Es wäre für jeden gesorgt aus seiner eigenen Kraft heraus. Wir könnten auch ganz andere Löhne zahlen. Wenn Arbeit nicht als Qual verstanden würde, sondern jeder seinen ganz eigenen Platz mit seiner Arbeit findet, manche sogar ihre Berufung. Firmen könnten mehr Umsatz machen mit Mitarbeitern, die zufrieden sind.

Welchen Rat würdest du an Menschen geben, die heute mit ihren Herzensprojekten starten?

Es ist schon sehr wichtig, einen Businessplan zu schreiben. Nicht als ein reines Kontrollinstrument, aber ein ausführlicher Businessplan stellt dir Fragen, mit denen du dein Profil gut ausarbeiten kannst.

Wenn dir etwas wirklich Spaß macht, kannst du damit auch Geld verdienen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Das heißt nicht, dass wir alle reich werden, aber wir können alle etwas verdienen.

Es ist aber extrem wichtig, niemals ohne Rücklagen zu starten.

Was würdest du da empfehlen?

Eigentlich sollte man ein Jahr ohne große Einkünfte überleben können.  Besser noch länger. Ich darf nicht am Anfang in einen Existenzdruck kommen, sonst fange ich vielleicht an, aus der Not heraus verkaufen zu wollen und Kunden merken das sofort. Damit boykottiert man sich selbst. Vielleicht verkauft man dann auch Dinge, die man nicht hätte verkaufen wollen.

 

Dieses Gespräch haben wir bereits im Sommer 2019 miteinander geführt. Danach kam alles anders als geplant für Anette. In meiner Blogparade „Kein Herzfeuer ohne Asche“ hat sie später sehr offen darüber berichtet: https://www.finanzbildung.jetzt/wenn-hoeher-schneller-weiter-nicht-mehr-geht-blogparade-zum-unternehmertum/

Anette hat mittlerweile auch ein Buch geschrieben: „Rente ohne Roulette - Wie du deine Altersvorsorge nicht aufs Spiel setzt“ https://www.amazon.de/Rente-ohne-Roulette-Deine-Altersvorsorge/dp/1695065425

Mehr über Anette Weiß und ihre Arbeit: https://www.finanzbildung.jetzt/

 

Wer schreibt hier?

Ich bin Vera Bartholomay - Autorin, Seminarleiterin und Therapeutin mit Themen wie Persönlichkeitsentwicklung, ganzheitliche Körperarbeit und Begleitung von Menschen in ein erfülltes privates und berufliches Leben. Ich unterrichte in Deutschland, Norwegen, Italien und der Schweiz. Meine Bücher: „Projekt Sehnsucht. Ein Mutmachbuch für alle, die von der Selbstständigkeit träumen“ und „Heilsame Berührung – Therapeutic Touch“.

www.vera-bartholomay.com

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kategorien: Herzensprojekte | Schlagworte: Bücher, Mut

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Kommentare

Karin Schwaer sagt:

03.03.2020 um 21:10 Uhr

Ein tolles Interview, vielen Dank dafür. Und es ist ein so wichtiges Thema, das Anette Weiß besetzt. Meiner Erfahrung nach ist es schwierig, gute Honorarberater zu finden. Finanzanlagen sind noch immer in fester Hand von Banken und Versicherungen und deren Provisionssysteme für Berater*innen. Da ist es natürlich "systembedingt" zumindest fragwürdig, welche Interessen in erster Linie verfolgt werden.

Und sehr schön finde ich das Statement: "Ich habe dabei gelernt, dass ich nur Angebote machen kann und dass die Leute dann selbst entscheiden müssen, wie weit sie gehen wollen. Ich kann sie nicht tragen."

Genau das denke ich auch immer wieder, wenn es um mein Angebot geht, qualifizierte und im Job erfolgreiche Frauen zu unterstützen, gut gelaunt und bestens vorbereitet in die Gehaltsverhandlung zu gehen. Letztlich muss jede(r) selbst aktiv werden. Die Dinge in Bezug auf die eigenen Finanzen einfach laufen zu lassen und zu hoffen, dass sich das schon alles von selbst regelt, ist definitiv sehr/zu TEUER.

Viele Grüße
Karin Schwaer

Antworten

Vera Bartholomay sagt:

04.03.2020 um 09:11 Uhr

Liebe Karin Schwaer,

die eigene Verantwortung wird tatsächlich immer wichtiger - in allen Lebensbereichen. Da müssen wir alle viel dazulernen.
Herzlichst, Vera Bartholomay

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